Zwangssterilisationen und Patientenmorde – Mainkofen während der NS-Herrschaft.


Während der nationalsozialistischen Herrschaft wurden Menschen vor allem nach ihrem wirtschaftlichen Nutzen für die „Volksgemeinschaft“ bewertet. Menschen mit psychischen Erkrankungen, geistigen Behinderungen oder auch sogenannte Asoziale wurden von nationalsozialistischen Eugenikern als „erbkrank“ eingestuft, zwangssterilisiert, in Vernichtungsanstalten vergast, in sogenannten Heil- und Pflegeanstalten zu Tode gespritzt oder zu Tode gehungert. Der ehemalige kaufmännische Direktor des Bezirksklinikums Mainkofen im niederbayerischen Deggendorf beantwortet in einem Interview Fragen dazu, wie in dem von ihm geleiteten Klinikum das nationalsozialistische Mordprogramm umgesetzt wurde.



Gerhard Schneider mit Patientenunterlagen,
die er im Verwaltungskeller des psychiatrischen Klinikums Mainkofen fand und vor der geplanten Vernichtung bewahrte.

Lesen Sie hier einen Auszug aus dem Gespräch mit Gerhard Schneider

HMV: Nun bewegt mich noch eine Frage, die ich gerne an Sie richten würde. – Die Einweihung der Gedenkstätte hat damals, also 2014, hohe Wellen geschlagen. Damals gab es beispielsweise in Plattling noch eine Straße, die nach Dr. Brettner benannt war, dem Sterilisierungsarzt hier in Mainkofen. Es kam damals, gerade weil die Gedenkstätte eingerichtet wurde und die Diskussion darum entbrannt war, tatsächlich zur Umbenennung dieser Straße. – Wie haben Sie das damals erlebt und wie stehen die Leute, die in dieser Straße leben, heute dazu? – Ich kann mich erinnern, dass es sehr viel Unmut gab.

GERHARD SCHNEIDER: Ja! – Die Sache hat sich im Laufe der Zeit beruhigt. Es hat vier Jahre gedauert, bis die Straße endlich von Dr. Brettner-Straße in Sonnenstraße umbenannt wurde. – Da gab es erheblichen Widerstand seitens der Anwohner, mit der Begründung, jetzt müssten sie die ganzen Adressen ändern, kein Navi würde sie mehr finden usw. – Vier Jahre hat es deswegen gedauert, weil meine ersten Veröffentlichungen angezweifelt wurden. – Klar, der Schneider aus Mainkofen ist kein Historiker, so hieß es, der kann viel behaupten …

Und dann wurde von der Stadt Plattling ein Gutachten in Auftrag gegeben, an den Herrn Skribeleit, den ich persönlich gut kenne, der ist Leiter der KZ-Gedenkstätte in Flossenbürg. Dessen wissenschaftlichen Mitarbeiter haben dieses Gutachten erstellt und daraus ging hervor, dass das tatsächlich so war. – Allerdings steht in dem Gutachten auch, dass er, der Dr. Brettner, nur für etwa 30 Fälle verantwortlich gewesen sei. – Ich dagegen bin bei weit über 300 Fällen – nachweislich!

Interessant ist, nach Rücksprache mit einem wissenschaftlichen Mitarbeiter in Flossenbürg, dass die Autoren der Studie nur die Zahlen vom Erbgesundheitsgericht in Landshut ausgewertet haben! – Das war aber lediglich rund ein Zehntel der Betroffenen! Passau, Deggendorf, diese ganzen Erbgesundheitsgerichtsentscheidungen, waren nicht berücksichtigt worden und daraus hatte sich die große Differenz ergeben. – Die über 30 Sterilisationsopfer haben aber dann doch genügt, dass man die Straße umbenannt hat.


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