Sie erfahren als Erster von meinem Ableben

Am Ende eines langen Gesprächs mit Sissy Engl, der Lebensgefährtin Peter Mühlens, stand ihre Zusage, ein Interview mit ihm zu arrangieren. Dieses sollte am 1.8.2012 in dem gemeinsamen Haus der beiden in Haar bei München stattfinden.

Da Peter Mühlen in der Nacht vor diesem Rendezvous eine schwere Krise durchlebt hatte, hatte er Sissy Engl gebeten, meine Fragen zu beantworten („Sissy weiß so viel über mich, dass sie ein Buch über mich schreiben könnte!“). Zu diesem Zweck hatte er ihr ein Fotoalbum gegeben, das sie mit mir durchgehen sollte. – Erst als sich das Gespräch nach einigen Stunden dem Ende näherte, betrat Peter Mühlen den Raum mit den Worten: „Stellen Sie x-beliebige Fragen, und ich bemühe mich, sie zu beantworten.“

Da er aufgrund eines Stomas nicht sprechen konnte, schrieb er seine Antworten auf einen Zettel. Peter Mühlen händigte mir einige Zeilen aus, mit denen er durchblicken ließ, dass er seinem Leben ein Ende setzen wollte. Er übergab mir seine schriftliche Vita sowie ein Werkeverzeichnis. Seine Fotosammlung durfte ich fotografieren. Peter Mühlen war ein Mensch, der alle Ereignisse, mit denen er im Laufe seines Lebens konfrontiert wurde, akkurat dokumentiert hatte. Die mir ausgehändigten Unterlagen belegen sein großes Bedürfnis, alles festzuhalten, um es möglichst vor dem Vergessen zu bewahren.

Es gibt Begriffe, die in dem kulturellen Gedächtnis fest mit Personen verknüpft sind und durch diese Personen eine neue, oder zumindest erweiterte Bedeutung erhalten haben. Bei dem Wort ‚Plattenkiste‘ dachte man in den 60er und 70er Jahren nicht einfach an eine verstaubte Kiste mit Vinylprodukten, sondern vor allem an Peter Mühlen und seine Sendung ‚Peter Mühlens Plattenkiste‘. Diese wurde vom Bayerischen Rundfunk von 1962 bis 1966 wöchentlich ausgestrahlt und ebnete vielen Menschen den Weg in die populäre Musik und beeinflusste ihre Hörgewohnheiten.

Peter Mühlen moderierte nicht nur, er schrieb auch querbeet Manuskripte für Rundfunk-, Fernseh- und Theaterproduktionen. Mit einem dieser Manuskripte bewirkte er, dass die Oper „Die tote Stadt“ von Erich Wolfgang Korngold, der von den Nazis aus Wien in die USA vertrieben wurde, in Deutschland wiederentdeckt wurde. Darauf war Peter Mühlen sehr stolz, denn er war ein großer Fan des Filmmusikkomponisten Korngold. Eine lange und tiefe Freundschaft verband ihn daraufhin mit dessen Sohn.

Der Musikexperte Peter Mühlen war auch außerhalb des Bayerischen Rundfunks aktiv, beispielsweise als Discjockey in der Sollner Alm. Dort empfing er alle, die im Showgeschäft der alten Bundesrepublik Rang und Namen hatten. Peter Mühlen war nicht nur Moderator, sondern auch Schauspieler, Synchronsprecher, Regisseur, Stückeschreiber, Komponist, Musikkritiker und Showmaster. Das Multitalent wirkte in mehr als 200 Theaterstücken mit und führte auch selbst Regie. Der Rundfunk ließ ihn dennoch nie ganz los: 1984 war Peter Mühlen Mitbegründer und leitender Musikredakteur des ersten privaten Hörfunksenders in Bayern, der „Neuen Welle Bayern – Antenne München“, heute bekannt als „Radio Charivari“.

Zusammen mit seiner Lebensgefährtin Sissy Engl gründete Peter Mühlen 1980 die ‚Mandolin Motions Einstein Show-Akademie‘, wo er viele Jahre Phonetik und Schauspiel unterrichtete. Peter Mühlen komponierte, schrieb, sang und sprach — bis ihm im März 2012 eine schwere Krankheit die Stimme raubte. Daher beantwortete Peter Mühlen meine Fragen schriftlich. Als ich ging, war es bereits spät geworden. Peter Mühlen verstarb am 15.09.2012; wir sahen einander nie wieder. Bei seiner Beisetzung war ‚Give Peace a Chance‘ von Paul McCartney zu hören — da wurde mir klar, dass ich einen Geistesverwandten kennengelernt hatte.



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