Ich wehre mich dagegen, dass das Schicksal meiner Großeltern zum Kampf gegen die Palästinenser herhalten muss.


Judith Bernsteins Eltern verließen wenige Jahre nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten Deutschland. Da ihnen eine Emigration in die USA verwehrt wurde, flüchteten sie in das damalige britische Mandatsgebiet Palästina und ließen sich, wie viele deutsche Juden in der Siedlung Rehavia vor den Toren Jerusalems nieder. In der „Gartenstadt“ Rehavia erblickte Judith Bernstein 1945 das Licht einer Welt, die von der Kultur der deutschstämmigen Bewohner und Bewohnerinnen, den Jeckes, geprägt war. Judith Bernstein wurde in diese deutsch-jüdische Gesellschaft hineinsozialisiert – und obwohl ihre Großeltern zwei Jahre vor ihrer Geburt in Auschwitz ermordet worden waren, zog es sie mit Macht in die alte Heimat ihrer Eltern. Als sie ein Stipendium der Stadt München erhielt, kam sie 1966 zum Studium nach Deutschland. Den Sechstagekrieg des Jahres 1967, der weitreichende Folgen für das Denken vieler Israelis und somit für die Politik Israels haben sollte, verfolgte sie von der bayerischen Hauptstadt aus. Judith Bernstein kehrte zwar nach Israel zurück, heiratete und brachte dort 1973 und 1976 ihre Töchter Sharon und Shelly zur Welt, doch irgendwann stellte sie fest, dass Israel aufgehört hatte, ihr zu gefallen. Ende 1976 kehrte sie nach Deutschland zurück, dieses Mal für immer. – Judith Bernstein lebt nun seit Jahrzehnten in München, wo sie durch ihre Mitarbeit in der Jüdisch-Palästinensischen Dialoggruppe für einen Ausgleich und ein friedliches Zusammenleben von Juden und Palästinensern eintritt. Auch ihr vor wenigen Jahren verstorbener Ehemann Reiner Bernstein bestärkte sie in diesem Kampf. Über die Erfahrungen, die Judith und Reiner Bernstein wegen ihres Engagements machen mussten, berichtet Judith Bernstein in dem nachfolgenden Gespräch.



Lesen Sie hier einen Auszug aus meinem Interview mit Judith Bernstein

Judith Bernstein: Ja. – Und ich wehr mich auch dagegen, dass das Schicksal, zum Beispiel meiner Großeltern, jetzt zum Kampf gegen die Palästinenser herhalten muss. – Also ich glaube, dass meine Großeltern, sie haben ja kein Grab, aber wenn sie ein Grab gehabt hätten, hätten sie sich in ihrem Grab umgedreht! Wenn sie gewusst hätten, dass ihr Schicksal als Vorwand für diesen schrecklichen Kampf gegen die Palästinenser benutzt wird.

HMV: Du meinst, sie würden auf deiner Seite stehen?

Judith Bernstein: Ja! – Glaube ich schon. … Also, das finde ich auch unverschämt von deutscher Seite, dass diese schreckliche Geschichte dafür benutzt wird. Ich meine, Israel macht das ständig, Netanjahu benutzt ständig die deutsche Geschichte, um gegen Israel-Kritik zu argumentieren.

HMV: Also was mich wirklich entsetzt ist diese Delegitimierung israelkritischer, also linksliberaler Juden, die Kritik an Netanjahu und an der Politik dieser Regierung, dieser israelischen Regierung, üben, vonseiten deutscher Regierungsmitglieder. Das ist für mich so unglaublich, weil eigentlich seid ihr diejenigen, die die demokratische Tradition repräsentieren, in Israel oder als Israelis. Und dafür werdet ihr auch noch sozusagen an den Pranger gestellt, als anti-israelisch, obwohl ihr eigentlich die demokratischen Israelis seid, und nicht die Orthodoxen, die sich auf 5000 Jahre alte Landbesitznahmeaufträge eines Gottes beziehen.

Judith Bernstein: Ja, und ich muss auch sagen, ich kann das nicht nachvollziehen, wenn Herr Schuster oder Frau Knobloch jedes Mal mit dem Antisemitismusvorwurf kommen, weil ich glaube, damit schaden sie. Und im Grunde genommen, ich kann es auch nicht verstehen, sie leben in Deutschland, genießen hier die Freiheiten, genießen hier, was wir noch haben, die Demokratie. – Und dort soll das bekämpft werden – also das Bisschen, was von Demokratie noch übrig ist. Da sollen also die Palästinenser bekämpft werden. Das geht für mich nicht! Ich meine, ich kann nicht hier die ganzen Vorteile einer Demokratie genießen und dort den Palästinensern das vorenthalten. – Da verstehe ich die Juden auch hier nicht und damit schaden sie sich selbst!


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